22. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Lukas (14,7-14)

 

Meinen Sie, es geht Jesus hier im heutigen Evangelium darum, wie man sich benehmen soll, wenn man wo eingeladen ist? Dann haben wir ihn nicht verstanden. Es geht ihm nicht darum, die Menschen mit einer bloßen Anstandsregel, mit dem Erlernen von Tischsitten vertraut zu machen. Er meint eine innere Haltung, eine Einstellung, eine Gesinnung, die ganz eng mit dem Glauben verbunden ist. Es geht um seine Lebensphilosophie, seine tiefste Überzeugung.

In uns Menschen steckt zutiefst die Angst, zu kurz zu kommen. Deswegen greife ich gleich mal nach dem Stück Kuchen, um es für mich zu sichern, ich erobere mir einen guten Platz am Tisch, oder wo auch immer. Dieses Denken entspricht dem Ich-Menschen. Keiner möchte übersehen werden. Jeder hat das Bedürfnis, dass man ihn kennt und anerkennt. Um das zu erreichen, tun wir uns manchmal hervor, wollen besser, schöner, schlanker, der Erste, der Beste sein. Wir drängen uns nach vorne, um aufzufallen, um dazuzugehören, damit man Notiz von uns nimmt, uns nicht übersieht. Jesus drängt uns, doch nicht so geltungssüchtig zu sein, er drängt zu Bescheidenheit.

In unserer modernen Gesellschaft, wo Besitz, Konsum, Imponiergehabe und Wohlstand in den Vordergrund gerückt sind, könnte das geradezu provokativ wirken. Bescheidenheit ist eher nicht unser Ideal. »Bescheidenheit« klingt eher abwegig. Wer etwas werden oder bleiben will, muss sich behaupten, d.h. seine eigenen Fähigkeiten und Leistungen darstellen, um den gesellschaftlichen, persönlichen und finanziellen Erfolg zu sichern. Bescheidenheit wird eher als Schwäche betrachtet. Aber warum das?- Leiden die Leute unter mangelndem Selbstwertgefühl? Stehen da lauter Minderwertigkeitskomplexe im Hintergrund?

Als gläubiger Mensch, als ein Mensch, der auf Gott vertraut, brauche ich mich nicht immer selbst zu bestätigen und zu beweisen, wie wichtig ich bin. In der Gewissheit, dass ich von Gott selbst angenommen, geliebt, als wertvoll betrachtet werde. Und diese Anerkennung - so sollen wir begreifen - ist ein Geschenk.

Deswegen kann ich auch bescheiden sein. Ich kann auf dem Boden bleibt, nicht abheben, nicht überheblich werden. „Bleib auf dem Boden“, sagt Jesus.

· Bleib auf dem Boden – dann bist du nahe an deinen Wurzeln; dann vergisst du nicht, woher du kommst, und wie klein du einmal angefangen hast; dann kannst du andere Kleine, Unsichere und Schwache besser verstehen.

· Bleib auf dem Boden: dann begegnest du den Menschen auf Augenhöhe, dann siehst du, was sie zum Leben brauchen, und was du ihnen geben kannst – und du siehst genauso, was sie dir schenken, was du ihnen verdankst; dann hörst du auf, zu vergleichen und neidisch auf die anderen zu schielen.

· Bleib auf dem Boden: dann bist du dir immer bewusst, dass du ein Geschöpf Gottes bist, und dass vieles, was du kannst und tust, nicht eigene Leistung ist, sondern Geschenk, für das du dankbar sein darfst: deine Talente, deine Gesundheit, deine Kraft und deine Energie, liebe Freunde, die dich begleiten und weiterbringen.

So wird die Bescheidenheit, zu einer Grundhaltung des Glaubens: Ich bin nicht der Macher meines Lebens, sondern habe es als Gabe empfangen.

Wenn ich das erkannt habe und mich selbst so sehe, kann ich meinen Mitmenschen auch ganz ehrlich und ohne Berechnung begegnen. Wahre Liebe rechnet nicht, zählt nicht, erwartet keine Gegenleistung. Wenn ich Leute zum Essen einlade, dann tue ich das aus Freundschaft und Zuneigung zu ihnen und nicht, weil ich mir von ihnen Vorteile und Anerkennung erwarte. Ich kann mich auch denen zuwenden, die gar nicht die Möglichkeit haben, mir mein Gutsein zu vergelten. Ja, selbst „Arme, Krüppel, Lahme und Blinde“, also Menschen, die in der Gesellschaft nichts gelten, kann ich dann einladen: weil ich keine Gegenleistung brauche, keine Vorteile davon erwarte: Es geht um eine Geste der Freundschaft, der aufrichtigen Zuneigung. Liebe rechnet nicht.

Das ist die innere Haltung, die Einstellung und Gesinnung, die Lebensphilosophie die ganz eng mit dem Glauben verbunden ist, die Jesus uns vor Augen stellt und wozu er uns aufruft.

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